Sonntag, 28. Oktober 2007

Kirche und Staat

Monarchie und Demokratie unterscheiden sich letzten Endes durch das Verhältnis von Kirche und Staat. Die Monarchie setzt irgend so etwas wie die Einheit, die Demokratie dagegen die Trennung von Kirche und Staat voraus. Was ist das richtige Verhältnis von Kirche und Staat?

Es herrscht allgemein die recht dilettantische Vorstellung, die demokratische Trennung von Kirche und Staat sei der Kirche durch ein Machtwort des Gesetzgebers abgetrotzt worden. In Wahrheit kann allein die Kirche darüber entscheiden, ob sie mit dem Staat eine Einheit bilden, oder ob sie sich vom Staat trennen will. Das ist eine Frage der Evangelien, der Apostelbriefe. Wenn z.B. Petrus sagt: Unterwerft euch um des Herrn willen jeder menschlichen Ordnung, dem Kaiser, weil er über allen steht, den Statthaltern, weil sie von ihm entsandt sind ... (1. Petr. 2,13), so scheint dies auf ein Gottesgnadentum der Monarchie und damit auf eine Einheit von Kirche und Staat hinauszulaufen. Wenn nun irgend ein Gesetzgeber im Widerspruch zu Petrus die Trennung von Kirche und Staat einführen wollte, so würde er offenbar die Religion in einem sehr wichtigen Punkt ändern. Damit würde er sich aber selber die Stellung eines Religionsstifters anmaßen, und das würde kein Christ akzeptieren. Der Gesetzgeber muss es also der Kirche überlassen, welches Verhältnis von Kirche und Staat bestehen soll.

Aber im großen und ganzen steht die vom demokratischen Gesetzgeber vorgeschriebene Trennung von Kirche und Staat wohl doch im Einklang mit den Evangelien und Apostelbriefen. Ich sehe drei starke Argumente für eine vom Christentum gewollte Trennung von Kirche und Staat: 1) Das Christentum war ursprünglich eine Privatreligion, also eine Religion des persönlichen Glaubens, und keine Staats- und Zwangsreligion. Zu einer Staats- und Zwangsreligion wurde das Christentum erst im 4. Jh. 2) Gegen die Einheit von Kirche und Staat spricht das fundamentale Jesuswort: Mein Reich ist nicht von dieser Welt (Joh. 18,36). 3) Gegen die Einheit von Kirche und Staat spricht auch die fundamentale "Gnadenlehre", wonach der Christ gerechtfertigt wird nicht durch Werke des Gesetzes, sondern durch den Glauben allein (z.B. Röm. 3,28).

Daraus ergibt sich aber, dass das beinah 2.000-jährige Gottesgnadentum der Monarchie gar keine Grundlage im Christentum hat. Genau so sehe ich es jedenfalls, ich meine allerdings auch, dass der Weltuntergang nur durch ein der Volkssouveränität entgegentretendes Gottesgnadentum der Monarchie verhindert werden kann. Wie passt das zusammen? Das Gottesgnadentum der Monarchie hat zwar keine Grundlage im Christentum, wohl aber im Heidentum! Das Gottesgnadentum der Monarchie ist ja viel älter als das Christentum. Die römischen Kaiser waren ursprünglich sogar selber Götter, denen Tempel und Priestertümer geweiht waren. Die Kirche konnte das Heidentum auf dem sozusagen geistlichen Gebiet, aber nicht auf dem weltlichen Gebiet abschaffen. Ich bekenne mich zum Gottesgnadentum der Monarchie als der einzig möglichen Alternative zur verderblichen Volkssouveränität, aber ich suche die religiöse Grundlage der Monarchie nicht im Christentum, sondern im Heidentum.

2 Kommentare:

Ludwig Windthorst hat gesagt…

Lieber Postillion,

ich lese mit Freude alle ihre Beiträge zur Staatstheorie. Als christlicher Monarchist bin ich natürlich nicht in der Lage, ihren Fundierungen in jedem Fall zuzustimmen. Doch sie sind auf jeden Fall eine Bereicherung, u.a. weil sie mir zeigen, dass nicht nur im theistischen, sondern auch im pantheistischen Weltbild die Monarchie die natürliche Staatsform ist.

Nach diesem zunächst grundsätzlichen Wort, dass ihnen auch zeigen möchte, dass der "Rufer in der Wüste" nicht ganz ungehört ruft, nun zum vorliegenden Text über Kirche und Staat, der mir viele Anknüpfungspunkte für einen Dialog bietet.

Das Verhältnis von Kirche und Staat ist wie so gut wie jede Lehrfrage im Christentum als Paradoxon zu verorten. Wie Gott sowohl außer der Welt ist als auch sie durchdringt, wie Christus sowohl Gott als auch Mensch (homoousios) ist, wie in den Taten des Menschen sowohl Gottes Gnade alles bewirkt als auch ohne sein Tun nichts vollbracht wird, so verhält es sich auch mit Kirche und Staat.

Wenn man wirklich wagemutig ist, kann man die traditionelle Auffassung vom "Homoousios" als einer Person in zwei Naturen - Gott und Mensch - unvermischt und ungeteilt - auch auf Kirche und Staat anwenden. Und in diesem Sinne sind nun auch die von ihnen angeführten Bibelstellen, wonach die staatliche Autorität von Gott kommt (1. Petr. 2,13) sowie der Hinweis Jesu, sein Reich sei nicht von dieser Welt (Joh. 18,36).

Einen weiteren Punkt, den sie ansprechen ist die Auffassung, das Christentum sei eine Privatreligion. Nun, wir könnten uns lange darüber streiten, wodurch diese Auffassung, die heute viele Christen vertreten, seinen Einzug in das Christentum gehalten hat. Ich halte sie für ziemlich unbiblisch, sondern vielmehr aus dem Dunstkreis post-aufgeklärter protestantischer Theologie entstanden. Sie missachtet vor allem den Kontext, in den Jesus Christus gestellt ist. Er tritt auf als messianischer König, greift damit das jüdische Gottesgnadentum auf. Er ist Retter aus dem Volk, für das Volk und dann sogar für die Vielen [Völker].

Wie bringt man aber die Königsherrschaft Christi mit dem Gottesgnadentum zusammen. Sie haben angeführt, dass sich im Mittelalter kein wirkliches Gottesgnadentum entwickelt habe, sondern dass es dieses reduziert habe. Ich möchte nun keinen Streit über Begriffe anfangen, würde aber sagen, dass gerade das jüdisch-christliche Königtum die Bezeichnung Gottesgnadentum verdient, während das, was Sie als Gottesgnadentum bezeichnen, eher den Begriff Gottkönigtum verdient. Anders als in den fernöstlichen Monarchien, aber auch anders als im Umfeld Israels, sei es in Persien oder in Ägypten oder auch später in Rom, ist der Herrscher eben Gott. Er wird niemals hinterfragt, er wird verehrt. Der jüdisch-christliche König hingegen ist nicht Gott, sondern vermutlich ein großer Sünder. Er hat keine Macht, er empfängt sie. Er ist eben "Rex Dei Gratia", König aus der Gnade Gottes. Und deswegen ist dieser König ein Reiter, einer der auf dem Pferde sitzend sein Volk aufsucht, der Recht spricht, der die Kranken heilt, kurz: der das Wohl seines Volkes zu erringen sucht. Er ist als Person die - seinem Stand entsprechende - sakramentale Verkörperung Christi. (So wie auch der Priester Christus verkörpert, wie sogar jeder Christ Christus verkörpert, durch die Gnade der Taufe und Salbung im Geist) Darin unterscheidet der christliche König sich vom fernöstlichen Gottkönig, der als sein Gegenpol - wie Sie im Sommer diesen Jahres schrieben - am besten regiert, wenn er nicht regiert (mir ist der Satz "Und die Welt kommt in Ordnung" noch sehr gut im Ohr geblieben.)

Philosophisch ist das Verhältnis von König und Gott am besten im Sinne der "Analogia Entis" des "Thomas von Aquin" zu verstehen. Diese besagt, dass alles, was im "Himmel" existiert, seine Entsprechung auf "Erden" findet. Diese Entsprechung ist aber keine Äquivalenz, keine Gleichwertigkeit, sondern eine Analogie, will sagen eine Ähnlichkeit, die durch eine noch größere Unähnlichkeit ergänzt wird. Diese Unähnlichkeit der menschlichen Königsherrschaft zum Königtum Gottes ist dem Historiker sattsam bekannt. Wir können sie - wie das Mosebach in seiner genialen Rede zur Verleihung des Büchnerpreises sagt - in der christlichen Lehre von der Erbschuld finden. Darum muss der christliche König, sollte er versagen, anders als sein fernöstliches Pendant den Henker fürchten, doch niemals wird darum die Idee des Königtums angetastet. Denn niemals glaubt der Christ, Macht sei etwas, was Menschen Menschen in die Hände geben. Es wird Zeit, dass sich die christliche Theologie dessen erinnert.

Mit besten Grüßen,
DerVasall

PS: Diesen Beitrag habe ich auch auf meinem Weblog veröffentlicht, mit Illustrationen versehen, unter dem Titel: Gottesgnadentum und christliche Monarchie

Postillion hat gesagt…

Lieber Vasall! Ihr Kommentar ist mir nicht nur wegen Ihrer freundlichen Worte, sondern auch wegen der Gelegenheit zu einer Diskussion mit Niveau eine Freude.
Ich hatte beim Lesen Ihrer Posts immer das Gefühl einer im wesentlichen gleichen Richtung. Wenn wir das Gottesgnadentum der Monarchie verschieden begründen, so ist das für mich ganz zweitrangig.

Auf Ihre Art von Begründung möchte ich hauptsächlich antworten: Ich wünschte, Sie hätten recht, ich wünschte, man könnte die Monarchie christlich begründen. Ich habe selber lange Zeit daran geglaubt, mir kamen aber starke Zweifel. Nach Ihren Worten will ich mir aber alles noch einmal überlegen.

Sicher haben Sie bemerkt, dass ich auch durchaus kein Freund irgend einer "Privatreligion" bin, aber mir scheint, dass das Christentum gar nicht anders als so angefangen haben kann.

Jesus ein "messianischer König", eine Art Reinkarnation Davids, ein "Retter aus dem Volk (Israel), für das Volk (Israel) und sogar für die Vielen (Völker)" das ist Musik in meinen Ohren, es erscheint mir (einstweilen)nur zu schön, um wahr zu sein.

Herzliche Grüße, Postillion