Freitag, 2. November 2007

Kingship and the Gods

Lieber Vasall! Sie haben auf meinen Post über das "Verhältnis von Kirche und Staat" nicht nur mit einem Kommentar, sondern gleich mit einem eigenen brillianten
Post "Gottesgnadentum und christliche Monarchie" geantwortet. Er hat tatsächlich etwas strahlendes und funkelndes- vielleicht eine Folge der Begeisterung, mit der Sie ihn geschrieben haben. Also, Sie sind fest überzeugt, dass das Neue Testament in weltlicher Beziehung nach einer Monarchie verlangt. Ich schrieb Ihnen schon, ich wünschte, ich wäre ebenso sicher.


Sie sehen an meiner Überschrift, worauf ich hinaus will. "Kingship and the Gods" ist der Titel eines Buches von Henry Frankfort, einem englischen Ägyptologen und Assyriologen. Es geht mir dabei nur um den Buchtitel. Er erinnert daran, dass die Monarchie von Gottes Gnaden im Grunde kein christliches und kein europäisches, sondern ein zeitloses und weltweit verbreitetes Phänomen ist. Auch der Gegner der Monarchie, die Demokratie mit ihrer Volkssouveränität, widerspricht ja nicht bloß dem Christentum, sondern jeder Religion der Weltgeschichte. Unter diesen Umständen scheint eine vom Christentum unabhängige, über das Christentum hinausgehende Begründung der Monarchie nötig zu sein.


Sie haben meine weltanschauliche Richtung sehr geistreich als Pantheismus bezeichnet, und Sie zeigten sich erfreut, dass nicht nur das Christentum, sondern offenbar auch der Pantheismus zur Monarchie führen kann. Möglicherweise führt aber nur mein Pantheismus zur Monarchie, während das Christentum in Wahrheit zur Demokratie führt. Viele Menschen, sogar die meisten Menschen, sind ja tatsächlich davon überzeugt! Sie werden mir zugeben, dass die Stellung des Neuen Testaments zur Frage des Verhältnisses von Kirche und Staat immerhin umstritten, immerhin mehr oder weniger zweifelhaft ist. Was, wenn Sie Unrecht haben sollten? Würden Sie auch einem Christentum treu bleiben, das sich als die entscheidende Ursache der Demokratie in aller Welt erweist? Ich jedenfalls nicht! Angesichts der Unsicherheit der Auslegung des Neuen Testaments argumentiere ich lieber gleich - nicht antichristlich, aber doch - achristlich.


Der außerchristliche König ist übrigens von China über Indien, Persien und Ägypten ein ausgesprochener"Sonnenkönig". Er ist keineswegs bloß ein Götze, ein Personenfetisch, wie Sie den heidnischen "Gottkönig" im Unterschied zum christlichen "König von Gottes Gnaden" definieren. Ich will hier gar nicht versuchen, das heidnische "Sonnenkönigtum" zu begründen, ich will nur sagen, dass der Monarchismus möglicherweise ganz auf eine solche Begründung angewiesen sein könnte. Der orientalische König gehört jedenfalls überall zum bipolaren Weltbild mit seinem Gegensatz von Himmel und Erde, Licht und Finsternis, Geist und Materie. In China ist der Herrscher ein "Sohn des Himmels", d.h. ein Sohn von Yang, was auch als "Sohn der Sonne" verstanden werden kann, und das ist nicht unbescheidener, nicht plumper als der Ausdruck "König von Gottes Gnaden". Ich sehe da keinen Unterschied. Als "Sonnenkönig" versteht er sich überall vor allem als ein Kämpfer gegen die Mächte der Finsternis. Ist das nicht unser Mann?