Sonntag, 14. Oktober 2007

Versailles

Vor einiger Zeit besuchte ich Versailles. Ich versprach mir nicht viel davon, denn seit ich die Memoiren des Herzogs v. St. Simon gelesen hatte, waren mir Ludwig XIV. und der Betrieb in Versailles eher unsympathisch geworden. Auch die originellen Briefe Liselottes v. d. Pfalz hatten mich aufgehetzt.

Als ich in Paris eine Fahrkarte für die Regionalbahn nach Versailles löste, geriet ich an einen Schalterbeamten, der glücklicherweise englisch sprach. Er schob mir die Fahrkarte mit einem höflichen: "Here you are, Sir!" hin. Ich war beeindruckt und revanchierte mich mit einem: "Merci beaucou, Monseur!" Das wiederum gefiel ihm, sodass er eine längere Rede auf französisch hielt. Ich verstand keine Wort, aber offensichtlich wünschte er mir irgend so etwas wie einen angenehmen Aufenthalt in Paris. Ach Frankreich, was für eine Kultur!

Es war Anfang November, ich kam aus dem immer noch sommerlich warmen Spanien, in Versailles trug man schon Mantel und Schal. Schloß und Park waren in Nebel gehüllt, in den Bäumen hingen letzte gelbe Blätter. Das Schloß selbst, soweit es überhaupt für Besucher zugänglich ist, imponierte mir tatsächlich wenig. Aber als ich allein durch den Park mit seinen prächtigen Bäumen spazierte, überkam mich auf einmal der Gedanke: "Nanu, zum ersten mal in meinem Leben fühle ich mich ja wie ein Mensch!" Ich trug den Kopf höher, meine Schritte wurden beschwingter. Mir wurde plötzlich klar, dass ich die gegenwärtige Welt als ein Säurebad erlebe. Da der Schmerz permanent ist, wird er unbewusst. Aber meine Seele macht ständig eine Grimasse, sie zieht gewissermaßen ständig den Kopf ein wie eine Schildkröte. Jetzt hatte sie vorsichtig den Kopf vorgestreckt und festgestellt: "Schau an, hier ist nichts ,was wehtut, nichts was beleidigt, ekelt, niederdrückt. Alles wirkt eher erhebend. Ich bin endlich nach Hause gekommen!"

Ich schaute mir natürlich auch Le Petit Trianon auf der anderen Seite des Parkes an. Es gilt als eine Art Gartenhaus Marie Antoinettes. Dort ist eigentlich nur ihr in ländlichem Stil gehaltenes Wohnzimmer zugänglich. Ich habe noch nie etwas so geschmackvolles gesehen. Aber es ist ein französischer Geschmack, er ist so raffiniert, dass man verzaubert ist, ohne sich die Ursache davon erklären zu können. Das Wohnzimmer hat die Atmosphäre einer Ballade von Chopin. Arme Marie Antoinette! Wenn es Sommer gewesen wäre, so hätte ich vielleicht eine Rose aus dem Park geholt und auf ihren Tisch gelegt.
















Keine Kommentare: